Der Abend wird schnell zu einer emotionalen Diskussion. Das freut Moderator Felix Brunner, weil vermeintlich heikle Themen direkt angesprochen werden. Der frühere Bergsportler sitzt nach einem tragischen Unfall seit 2009 selbst im Rollstuhl. Im Laufe seines Lebens hat er es sich zur Aufgabe gemacht, über Inklusion zu sprechen, Dinge anzuschieben. Diese Absicht verfolgt er auch in Ulm. Die Zuhörenden sollen ins Gespräch kommen, Anregungen für den Alltag sammeln, damit Kinder mit Behinderung unter ausreichend Sportangeboten auswählen können.
Aktuell ist das nämlich nicht der Fall. In Ulm gibt es zwar rund 80 Sportvereine, wovon mehrere auch über ein Angebot für Menschen mit Behinderung verfügen. Viele Menschen mit Handicap werden aber trotzdem noch nicht abgeholt.
Kontroverse Ansichten, gleiches Ziel
Laut einem Lehrer der Gustav–Werner–Schule liegt das ausbaufähige Sportangebot auch daran, dass nach wie vor der Leistungsgedanke zu sehr im Fokus steht. Zu oft würden Kinder und Jugendliche mit Behinderung durchs Raster fallen, da sie nicht über das entsprechende Leistungsniveau verfügen. Er plädiert daher für mehr Freizeitangebote.
Diesen Ansatz teilen aber nicht alle Anwesenden gleichermaßen. Eine Mutter wünscht sich beispielsweise eine stärkere Differenzierung unter den jeweiligen Behinderungen, damit die daraus resultierenden Angebote besser zugeschnitten werden könnten. Davon hält eine andere Teilnehmerin wiederum nichts, weil dadurch die Tür ausschließlich für bestimmte Zielgruppen geöffnet sei.
Best-Practice-Beispiel aus Durlach
Wie es in der Praxis aber auch laufen kann, macht an diesem Abend die Turnerschaft Durlach 1846 (TSD) deutlich. Der Breitensportverein bei Karlsruhe ist als Vorzeigebeispiel im Bantleon durch Geschäftsführer Seweryn Baur vertreten. Obwohl die TSD seit 2009 mit dem eigenen inklusiven Handballteam „Turnados“ bundes- sowie weltweit für positive Schlagzeilen sorgt, hat es weitere zwölf Jahre bis zum ersten inklusiven Kinderturnangebot gedauert. 2021 hat die Turnerschaft das Projekt gestartet. Inzwischen hat sich das Angebot im Verein etabliert, wie Baur berichtet.
Für Anna-Lena Würbach, Inklusionscoach der Deutschen Turnerjugend (DTJ) und Mitorganisatorin der Themenrunde in Ulm, ist das Durlacher Beispiel ein Beleg dafür, dass Sportvereine öfter einfach mal machen sollten. Unterstützen kann bei diesem Vorhaben die DTJ mit dem Projekt „Regionalliga Inklusion“ vom Deutschen Turner-Bund. Dabei handelt es sich um ein Angebot für alle Vereine, die durch sogenannte regionale Inklusionscoaches bei der Bildung von Netzwerken zu verschiedenen Einrichtungen unterstützt werden sollen. „Dieses Angebot kann auch in Ulm wahrgenommen werden“, so Würbach.
Mehr Informationen im Internet unter https://www.dtb.de/offensive-kinderturnen/regionalliga-inklusion/.